Aus: "Sprache und Cultur in dem
genauesten Verhältnisse".
Kulturgeschichte und Lexikographie bei
Johann Christoph Adelung
...
Insgesamt also finden wir Adelung in seinen Schriften und in seinem
Wörterbuch auf der Höhe des gelehrten Diskurses seiner Zeit. Dieses
Wörterbuch, so ist unsere Leitidee, die die folgende Darstellung
lenkt, reflektiert das kulturgeschichtliche Konzept Adelungs. Es ist
die Umsetzung und Manifestation seines Aufklärungs- und
Kulturbegriffs, die Adelung gleichsam im Sinn eines
lexikographischen Programms formuliert. Dieses lexikographische
Programm legt Adelung im Wörterbuch selbst fest, und zwar im Artikel
aufklären
. Die dritte Lesart der „figürlichen“ Bedeutung 2) lautet
„Viele deutliche Begriffe beybringen“ und als Verwendungsbeispiele
gibt Adelung an:
„Ein aufgeklärtes und unbefangenes Gewissen. Ein aufgeklärter
Verstand, der viele deutliche Begriffe hat. Aufgeklärte Zeiten, da
man von vielen Dingen klare und deutliche Begriffe hat.“ (Adelung
1793, s.v.
aufklären
)
Diese Verwendungsbeispiele für das attributiv gebrauchte Partizip
aufgeklärt
sind in spezifischer Weise Ausdruck aufgeklärten Denkens:
in ethischer Hinsicht (
Gewissen
), in rationaler Hinsicht (
Verstand
),
in temporaler Hinsicht (
Zeiten
, womit Adelung Epochenbewusstsein zu
dokumentieren scheint).
Soviel ist also klar: Adelung ist fest verwurzelt im Denken seiner
Zeit, und alle Elemente dieses Denkens sind vorhanden. Diese
Konstellation ist die Grundvoraussetzung des Adelungschen
Aufklärungs- wie Kulturbegriffs, dessen wir uns bewusst sein müssen,
wenn wir den Fokus auf die Perspektive 'Aufklärung und Wörterbuch'
im Rahmen des kulturgeschichtlichen Konzepts von Adelung lenken.
Um dieses kultur- und sprachgeschichtliche Ideengerüst also soll es
im Folgenden gehen. Ich möchte die Perspektive 'Aufklärung und
Wörterbuch' (als ein Aspekt des Kulturbegriffs Adelungs)
konkretisierend zunächst unterscheiden nach den beiden
lexikographischen Prinzipien der Bedeutungs- bzw. Lesartenerklärung
und der den Wortgebrauch dokumentierenden Belegung mit Beispielen
und vor allem literarischen Zitaten. Damit sind zwei
lexikographische Grundsätze der Erkenntnisvermittlung, nämlich die
Darstellung der lexikalischen semantischen Struktur (2.1) und die
Autorisierung dieser Darstellung durch Beispiele und Belege (2.2),
auf unseren Gegenstand übertragen. Anschließend werde ich die
Darstellung des Kulturkonzepts Adelungs vervollständigen mit der für
dieses Konzept zentralen Kategorie des Geschmacks (2.3).
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