im Hinblick auf Zuschreibungen vermeintlichen jüdischen Wesens, in
ihren historisch unterschiedlichen Erscheinungsformen; zum andern im
Hinblick auf die Art und Weise, in der über Juden geredet wird,
,antisemitische Kommunikation' möchte ich sie nennen.
Beide Perspektiven sprachlichen Antisemitismus sind natürlich
bedingt durch die historischen gesellschaftlichen antisemitischen
Ausprägungen. Sie sind vielfach klassifiziert und kategorisiert
worden - jede Version begründet und plausibel. Ich möchte vier
Grundformen unterscheiden, aus denen sich jeweils historisch
bedingte Varianten von Antisemitismus entwickeln:
Zum einen die des religiös motivierten Antijudaismus mit
gesellschaftlich-ökonomischem Antisemitismus, zum andern die des
rassistischen Antisemitismus, mit nationalem Antisemitismus. Die
dritte Grundform ist die des faschistischen Antisemitismus, die
hinsichtlich ihrer exterminatorischen Erscheinungsformen
beispiellose Version. Die vierte Grundform ist mit der Zäsur im Jahr
1945 anzusetzen - Antisemitismus nach der Schoa hat eine
grundsätzlich andere Dimension als jegliche präfaschistische und
faschistische Form von Judenhass. Auch der postfaschistische
Antisemitismus hat unterschiedliche Erscheinungsformen. Es werden im
Allgemeinen zwei Formen unterschieden, die des neonazistischen und
die des latenten Antisemitismus. Ich möchte eine dritte Version
einführen, die des populistischen Antisemitismus.
Diese Reihe gibt nicht eine strenge chronologische Folge wieder und
die Kategorien sind nicht unbedingt trennscharf voneinander
abzugrenzen: Der mittelalterliche Antijudaismus z.B. ist nicht
gänzlich verschwunden, der Rassenantisemitismus ist nicht erst ein
Phänomen der Vererbungslehre des 19. Jahrhunderts. Orientierung aber
geben diese Kategorien allemals.
Worum soll es nun also im Folgenden gehen? Ich möchte zunächst die
Geschichte der antisemitischen Zuschreibungen skizzieren - solche
Zuschreibungen stellen sozusagen die inhaltliche Ausstattung des
sprachlich vermittelten Antisemitismus dar. Diese Zuschreibungen
werden in dem anschließenden Abschnitt im Hinblick auf den
Gegenstand 'Sprache und Antisemitismus' eingeordnet. Danach möchte
ich das Thema ,Sprache und Antisemitismus' unter das Zeichen
antisemitischer Kommunikation stellen - diese Perspektive soll als
neues antisemitisches Phänomen des Postfaschismus dargestellt
werden. Der Vortrag schließt mit der Formulierung gesellschaftlicher
Aufgaben.
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