Aus: "Gehorsamspflicht statt
Menschenpflicht". Die Urteile Max
Silbersteins zu den Erschießungen in den
Lauerschen Gärten am 28. März 1945 (2007)
Vorbemerkung: Der Tathergang
"'Das feige Verhalten der Bevölkerung nimmt in der letzten Zeit
überhand, so dass mit den schärfsten Mitteln eingegriffen werden
muss. Ich befehle, ab sofort in den Häusern, an denen weisse Tücher
oder Fahnen geflaggt werden, die männliche Bevölkerung über 14 Jahre
an Ort und Stelle zu erschiessen. Wer diesen Befehl nicht ausführt,
wird erschossen.'" (I/647)
Wir schreiben den 28. März 1945, die amerikanischen Truppen nähern
sich Mannheim, und es ist nur noch eine Frage von wenigen Stunden,
bis sie die Stadt - einnehmen, besetzen, befreien? Von Befreiung mag
man kaum reden in Bezug auf die Person, um die es im Folgenden vor
allem geht. Wie immer: In dieser Situation ergeht der eben zitierte
Befehl des Generalmajors Pettersdorf, kommandierender
Wehrmachtgeneral dieses Abschnitts. Der Original-Befehl trug die
Unterschriften von Keitel, Himmler und Bormann, und er ist Anlass
für eine Tat, die als ,Verbrechen der Endphase' als Justiz- und
Zeitgeschichte auch ein Stück Mannheimer Stadtgeschichte ist.
Zunächst eine kurze Skizze des Tathergangs: Vom Polizeipräsidium aus
macht sich ein Trupp Polizisten unter dem Kommando des
Polizeihauptmanns Böse auf den Weg zum Goetheplatz-Bunker, den sie
räumen sollten. Dabei kamen sie an dem Gebäude N 7, 4 vorbei, wo aus
Fenstern der oberen Stockwerke, weithin sichtbar, zwei weiße Fahnen
heraushingen. (I/648) Unternommen wurde zu diesem Zeitpunkt nichts,
weil Böse noch keinen ausdrücklichen Befehl, nämlich den eingangs
zitierten, hierzu hatte. Er erhielt diesen Befehl kurze Zeit später,
während der Räumung des Goetheplatz-Bunkers. Seinen Untergebenen gab
er diesen Befehl zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiter. Nach dem
Ende der Räumungs-Aktion bestimmt Böse den Rückweg vom Bunker zum
Polizeipräsidium so, dass die Polizisten wieder an dem Gebäude N 7,
4 vorbeikommen, aus dessen Fenstern immer noch die weißen Fahnen
hängen. Böse schickt nun die Polizeibeamten Hecker und Lauber, die
Fahnen einzuholen. Anderen Beamten befiehlt er, das Haus nach
Bewohnern zu durchsuchen. Man findet drei Männer: Hermann Adis, er
ist Fabrikationsleiter der Eigentümerin des Gebäudes, der Firma
,Samt und Seide', Erich Kurt Heinrich Paul, Expeditionsleiter der
Firma, sowie den Hausmeister Adolf Doland. Sie geben zu, die weißen
Fahnen gehisst zu haben. Jetzt teilt Böse den Polizeibeamten den
kurz zuvor erhaltenen Schießbefehl mit, und zwar in dem angeblichen
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